Pulsnitzer Anzeiger, Juni 2021

Bienenvergiftung!

Bienenvergiftung!

Anfang Mai wurde ich als örtlicher Bienensachverständiger (BSV) von einem Imker zu einem Notfall gerufen. Tote und sterbende Bienen lägen vor der Bienenbehausung und nebenan fahre ein Landwirt mit der Giftspritze. Tatsächlich bot sich vor Ort ein unschönes Bild: Zitternde, sterbende Bienen taumelten unbeholfen aus der Beute und vergrößerten den Berg an leblosen Körpern, der schon davor lag. Ziemlich deutliche Zeichen für eine Bienenvergiftung. Für jeden Imker ist das ein wirklich trauriger Anblick. In Sichtweite stand das Agrarfahrzeug des Dienstleisters, der das benachbarte Feld bearbeitet hat. Imker und Landwirt hatten sich bereits vor meinem Eintreffen mehr oder weniger freundlich ausgetauscht. Einerseits verständlich: Wenn Bienenvölker sterben und zeitgleich wird nebenan eine Substanz auf ein Feld gesprüht: Dann liegt der Verdacht nahe, dass das Sterben damit zu tun hat. Andererseits:

Ist das wirklich so? Ist immer der Landwirt schuld?

Die Antwort vorweg: Nein, meistens nicht! Die Zahlen sprechen da eine klare Sprache. Zum Beispiel Frevel, also mutwilliges Vergiften von Völkern – oft sogar von Imkern untereinander – spielt in der Statistik eine nicht unerhebliche Rolle. Oder Ameisengift, in trachtarmen Zeiten auch für Bienen attraktiv, ist eine nicht seltene Vergiftungsursache. Doch zunächst gilt es, ruhig und sachlich zu bleiben. Bei auffälligen Ausfallerscheinungen an den Völkern gibt es ein klares Procedere: Ein Vertreter aus der Imkerschaft, idealerweise der BSV, wird als Zeuge hinzugezogen. Bienenkrankheiten oder gar Hungertot sollten mit fachlichem Blick möglichst ausgeschlossen werden. Dann kann eine Probe der mutmaßlich vergifteten Bienen genommen und diese an das eigens dafür vorhandene Labor für Bienenvergiftungen im Julius-Kühn-Institut (JKI) nach Braunschweig gesendet werden. Außerdem wird der Kontrolldienst Pflanzenschutz im Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULFG) informiert. Dieser nimmt bei hinreichendem Verdacht von den mit der Vergiftung mutmaßlich in Zusammenhang stehenden Pflanzen Proben. Auch diese gehen an das JKI und werden, wenn sich eine Vergiftung bestätigt, bei der Untersuchung herangezogen.

Wer ist schuld an der Vergiftung?

Für den geschilderten Fall wissen wir es noch nicht. Die Laborergebnisse liegen noch nicht vor. Da nicht alle Völker des geschädigten Imkers betroffen waren, ist es nicht unwahrscheinlich, dass sich die Bienen die (mutmaßliche) Vergiftung in einem privaten Garten zugezogen haben. Vielleicht hat ein Hobbygärtner in der Nähe gerade an diesem Tag seinen Kirschbaum mit einem Mittel aus alten Zeiten behandelt oder eine blühende Hecke gesprüht? Oder war es das oben genannte Ameisengift? Man weiß es (noch) nicht. Sollte sich die Vergiftung im Labor bestätigen, erfahren wir auch, an welchem Mittel die Bienen verendet sind. In keinem Fall sind Vorverurteilungen ratsam. Imker und Landwirt sollten in Kontakt treten bzw. bleiben, um Behandlungszeiten abzustimmen und vor allem um Missverständnissen vorzubeugen. Ebenso ist weiterhin Aufklärung für private Anwender von Pflanzenschutzmitteln und Insektiziden notwendig.

Umfassende Informationen zum Thema finden Sie auf der Seite des Julius-Kühn-Instituts:

 

https://bienenuntersuchung.julius-kuehn.de/

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